Der moralische Kompass der Pokerspieler

Der moralische Kompass der Pokerspieler

Alex Foxen hat mit seinen Anschuldigungen gegenüber Ali Imsirovic wieder kräftig Staub in der Poker Community aufgewirbelt. Aber wo beginnt der Betrug beim Pokern tatsächlich?

Pokerspieler sind sich bei nichts so einig, wie dass sie sich nicht einig sind. Auch die aktuelle Diskussion rund um die Vorwürfe gegen Ali Imsirovic zeigt das wieder sehr deutlich. Wo beginnt Betrug beim Live Poker, wo beim Online Poker? „Sich einen Vorteil im Rahmen der Regeln zu verschaffen, ist erlaubt“. So sehen es viele.

Wenn also jemand seine Karten beim Livepoker nicht schützt, dann ist er selber schuld und es ist nichts Verwerfliches dabei, die so gewonnenen Information zum eigenen Vorteil zu nutzen. Ein Dealer zum Beispiel gibt die Karten sehr hoch, dass man einen Blick auf die ein oder andere Karte werfen kann. Macht man den Dealer darauf aufmerksam oder nutzt man auch hier die Gelegenheit? Eine All-in Situation wird falsch gezählt und ich bekomme mehr Chips, als mir zustehen würden. Oder auch bei einem Chip Race. Klärt man den Irrtum auf oder profitiert man einfach davon? Handys am Pokertisch sorgen auch oft genug für Diskussionen und Casinos, die hart gegen die Nutzung des Smartphones am Pokertisch durchgreifen, werden oft kritisiert. Aber wie oft ist es denn schon vorgekommen, dass Platz 1 Platz 8 mal eben die gefoldeten Karten mitgeteilt hat. Die Information alleine kann dem anderen Spieler schon einen entscheidenden Vorteil verschaffen.

Hilfsprogramme beim Online-Poker.  Ich rede nicht von Solver-Programmen, denn ich denke da sind sich wirklich alle einig, dass die Nutzung dieser Programme während des Spiels definitiv nicht korrekt ist. Aber Hold’em Manager zum Beispiel. Warum ist es erlaubt, dass ich als absoluter Freizeitspieler sofort von Tracker-Nutzern als solcher erkannt werde, sobald ich mich an den virtuellen Tisch setze.  Nicht umsonst hat partypoker den regelmäßigen Tausch der Nicknames erlaubt, um das alles zu unterbinden. Im Live Game bleibt mir doch auch nur meine Merkfähigkeit, ob ich gegen jemanden schon mal gespielt habe.  Ghosting – auch so ein Unding der Online-Pokerwelt. Bill Perkins hat Daniel Cates Ghosting vorgeworfen, die beiden vertragen sich aber wieder. Fakt ist aber, dass Ghosting alles andere als eine Seltenheit ist. Generell ist es aber auch so, dass gesperrte Spieler auch mit anderen Identitäten bei den Online-Anbietern unterwegs sind. Und Multi-Accounting ist doch auch längst zum Kavaliersdelikt geworden. „Turniere abkaufen“, ja auch so etwas gibt es. Kommt ein Spieler deep bei einem Turnier, soll ihm schon das ein oder andere Angebot gemacht worden sein, um das Turnier zu verkaufen.  Schon vor mehr als zehn Jahren gründeten sich die ersten Online-WGs und der gemeinsame Grind vor allem Sonntag war an der Tagesordnung – auch etwas, was in der Online-Welt ganz normal ist. Auch wenn ein Fedor Holz meint, dass die Zeit für kollektive Entscheidungen beim Onlinespiel zu kurz ist, auch ein paar Sekunden reichen oft schon für eine zweite Meinung. Von der Situation – vor allem bei High Roller Turnieren – dass man dann vielleicht gemeinsam am Final Table landet, mal ganz abgesehen.

„Betrug“ ist so weitläufig. Ist es schon Betrug, wenn zwei Spieler am Cash Game Tisch mit derselben Bankroll spielen, vom selben Spieler gestaked werden oder Prozente aneinander haben und sie deshalb vielleicht nicht 100 % so spielen, wie sie sonst spielen würden? Es muss gar kein Softplay sein. Aber einfach mal eine Hand nicht raisen oder folden. Softplay wurde nicht nur Alex und Kristen Foxen vorgeworfen, auch die Desset-Brüder sorgten vor zwei Jahren für den „größten Pokerskandal“ der slowakischen Pokergeschichte. Hat nicht jeder schon einmal gegen einen Kumpel/ein Familienmitglied gefoldet oder vielleicht nicht ganz so gespielt, wie man es gegen einen anderen getan hätte? Auch ein Punkt, der immer wieder diskutiert wird – ein Spieler ist all-in gegen zwei oder mehr Spieler und in weiterer Folge spielt ein Spieler an. Wenn dann tatsächlich noch der All-in Spieler gewinnt, ist der Shitstorm schon sicher. Aber ist es nicht eigentlich korrekt, so zu spielen? Wie oft habe ich auch schon erlebt, dass im Cash Game gecheckt wurde, um die High Hands oder Bad Beat Jackpots gewinnen zu können. Auch das ist streng genommen nicht korrekt, aber „normal“. 

Aufzeichnungen im Live-Game sind tatsächlich nicht erlaubt. Bei Online-Poker sind die Spielernotizen sowieso normal und unzählige Hilfs- und Statistikprogramme sind gar nicht wegzudenken. Dass immer weniger Freizeitspieler Online-Poker genau wegen dieser Programme spielen wollen, steht auf einem anderen Zettel. Aber Fakt ist – die einen sind überzeugt, dass man jeden möglichen Vorteil nutzen muss, die anderen wollen sich einfach nur unterhalten. Gewinnen wollen alle. Einige aber auf Kosten der Moral.

Welches Bild das auf unser aller geliebtes Pokerspiel in der Öffentlichkeit wirft, muss man nicht extra erwähnen. Das allseits bekannte „Wenn’s ums Geld geht, wird halt betrogen“, bewahrheitet sich noch immer viel zu oft. Wie bei so Vielem sind es die Spieler, die es selbst in der Hand haben, Poker aus der Schmuddelecke zu bringen. Poker ist ein Spiegel der Gesellschaft. „Wenn es einem anderen passiert, ist es ok, bei einem selbst ist es der große Skandal“. Poker ist und bleibt ein Glücksspiel, bei dem es sehr viele Faktoren gibt, die man selbst beeinflussen kann und so den Glücksfaktor minimieren kann. Aber es auf Kosten der moralischen Integrität zu tun, finde ich falsch.

 

 

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Author: Matthew Fisher